Mainz Hochschule für Musik 2010/III/36
Eine vorausschauende Grundsatzentscheidung der verantwortlichen Orgel-Professoren erwies sich als Glücksfall: die Hauptorgel für das neue Musikhochschul-Gebäude auf dem Universitäts-Campus sollte nicht im grossen Saal zu stehen kommen. Der eigens dafür konzipierte Orgel-Saal bietet nun ideale Voraussetzungen im Bezug auf die uneingeschränkte Nutzung der neuen Mainzer Goll-Orgel zum Üben und Unterrichten, für Klassenstunden und Konzerte.
Es ist eine ganz besondere Herausforderung, für kleine Räume Instrumente zu schaffen, die in ihrer Klanglichkeit optimal auf die vorhandenen Verhältnisse angepasst sind. Im Vergleich zur Grösse der 3-manualigen Orgel mit 36 Registern ist der Saal verhältnismässig klein (nur 1’000 m3 und 80 Zuhörerplätze). Die vielfältigen und differenzierten Registrierungsmöglichkeiten sollen voll ausgeschöpft werden können, ohne aufdringlich laut zu werden. Nicht erst bei der Intonation der einzelnen Pfeifen vor Ort, sondern schon ganz zu Beginn der Planung fliessen entsprechende Erfahrungen und wichtige Erkenntnisse aus früheren Projekten ein (z.B. Musikhochschulen in Bern, Bayreuth, Stuttgart, Regensburg): Mensuren, Windladenmasse, Winddrücke und viele weitere Parameter spielen dabei eine wesentliche Rolle und erfordern eine entsprechende Berücksichtigung.
Ein charakteristisches Element unseres Entwurfs sind die leicht schräg gestellten Felder der je fünf Prospektpfeifen, die aus dem Raster der horizontalen Bänder und vertikalen Friese hervortreten. Das klar gegliederte und kubische Gehäuse lässt an mehreren Stellen den Blick frei auf dahinter befindliche Elemente, was den inneren Aufbau des Instruments ablesbar macht. Die sichtbaren Prospektpfeifen (Principal 8’ und Principal 16’) gehören zu den gemeinsamen Windladen von Hauptwerk und Pedal. In den drei mittleren Feldern unmittelbar über dem Spieltisch sind die Schwelljalousien des Positivs zu erkennen, teilweise abgedeckt durch die Prospektpfeifen. Von gewissen Standorten aus ist sogar das Schwellwerk zu sehen: ein separater zweiter Gehäuseteil, hinter dem Hauptgehäuse stehend und zu beiden Seiten je von den vier grössten Holzpfeifen des Principal 16’ flankiert.
Alle drei Manualwerke sind im Labialbereich gut ausgestattet mit charakteristischen Grundstimmen in 8’- und 4’-Lage, HW und SW zusätzlich mit je einem 16’-Register. Zusammen mit den entsprechenden Stimmen des Pedals sind dies mehr als die Hälfte aller Register, was besonders differenzierte Abstufungen ermöglicht. Dazu kommen zahlreiche Farbregister, z.T. in Quint- und Terzlage, gemischte Stimmen sowie die unterschiedlichen Klangkronen der einzelnen Werke. Es war nicht die Idee, einen bestimmten historischen Stil zu kopieren, sondern ein möglichst vielseitiges Instrument zu realisieren, welches die ganze Palette der Orgelliteratur abdeckt. Nicht nur das reiche barocke und romantische Literaturspektrum soll adäquat interpretiert werden können, auch für den Frühbarock oder zeitgenössisch-experimentelle Tendenzen ist das Feld offen. Die charakteristischen Einzelregister wurden so aufeinander abgestimmt, dass sie in den unterschiedlichsten Kombinationen optimal verschmelzen. Das Instrument soll Kraft und Fülle bringen ohne aufdringlich zu werden, brillant und klar klingen ohne übertriebene Schärfe.
Auf speziellen Wunsch der beiden Orgelprofessoren Gnann und Kaiser sollte dem Rektor der Musikhochschule Prof. Jürgen Blume in irgendeiner Form Reverenz erwiesen werden. Nach langem Studieren und Tüfteln gibt es jetzt an der Orgel einen Registerzug mit einer stilisierten Blume. Aus einem Versteck hinter den Prospektpfeifen fährt ein sich drehendes Blumenrad in die Mitte der Orgel und dazu erklingen helle Glöckchen (ähnlich wie bei einem Zimbelstern).
Hautpwerk I
Bourdon | 16' |
Principal | 8' |
Hohlflöte | 8' |
Spitzgamba | 8' |
Octave | 4' |
Spitzflöte | 4' |
Superoctave | 2' |
Mixtur III-IV | 1 1/3' |
Trompete | 8' |
Positiv II (schwellbar)
Gedackt | 8' |
Salicional | 8' |
Principal | 4' |
Rohrflöte | 4' |
Sesquialtera II | |
Flageolet | 2' |
Larigot | 1 1/3' |
Scharf III | 1' |
Klarinette | 8' |
Tremulant |
Schwellwerk III
Bourdon | 16' |
Flöte | 8' |
Gambe | 8' |
Voix céleste | 8' |
Traversflöte | 4' |
Nasard | 2 2/3' |
Schweizerpfeife | 2' |
Terz | 1 3/5' |
Plein jeu III-IV | 2' |
Trompete | 8' |
Oboe | 8' |
Tremulant |
Pedal
Principal | 16' |
Subbass (Transm.) | 16' |
Octavbass | 8' |
Rohrflöte (Transm.) | 8' |
Octave | 4' |
Fagott | 16' |
Trompete (Transm.) | 8' |